Herr Dr. Schleef, warum ist es sinnvoll, das Plattformprojekt InnoFuels bei der RGMT zu präsentieren?
Die RGMT spiegelt deutlich den Themenwandel in der Großmotorenwelt der letzten 15 Jahre wider. Während es bis um das Jahr 2010 noch vorrangig um immer höhere Wirkungsgrade und Zuverlässigkeit ging, rückten danach Themen zur Einhaltung der Stickoxidgesetzgebung oder der Schwefelvorgaben in den Fokus. Seit etwa 5 Jahren beschäftigt sich die Branche nun intensiv mit der Einführung alternativer Marinekraftstoffe, wie Methanol und Ammoniak. Dabei wird es auch darum gehen, die benötigten klimaneutralen Kraftstoffe in großem Maßstab verfügbar zu machen. Welche Regulatorik ist notwendig? Wer produziert die Kraftstoffe? Wie müssen Tanklager umgebaut werden und welche Bunkerinfrastruktur muss in den Häfen vorhanden sein? Dies sind nur einige zentrale Fragen, die vom InnoFuels-Verbund bearbeitet werden. Es sind also spannende Zeiten.
Wie hoch ist der Anteil erneuerbarer Kraftstoffe im internationalen Schiffsverkehr aktuell, und welche spezifischen Kraftstoffarten werden verwendet?
Sogenannte Sustainable Marine Fuels (SMF) werden bislang leider kaum verbunkert. Ihr Anteil beträgt laut der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) derzeit nur etwa 0,1 Prozent der weltweit dokumentierten Kraftstoffmengen. Dabei sind die heute verfügbaren SMF nahezu ausschließlich biogenen Ursprungs. Strombasiert erzeugte Kraftstoffe wie Methanol oder Ammoniak stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung. Dabei gibt es aktuell etwa 40 bis 50 Schiffe, die mit Methanol angetrieben werden können und lediglich erste Versuchsmotoren für Ammoniak.
Da ist also noch eine Menge Luft nach oben. Dennoch gilt die Schifffahrt als der klimafreundlichste Verkehrsträger. Wie geht das zusammen?
Etwa 90 Prozent des weltweiten Warentransports erfolgt auf dem Seeweg. Da Schiffe im Vergleich zu Bahn, Flugzeug oder LKW eine deutlich höhere Transportleistung erbringen, sind die Treibhausgasemissionen pro Tonne und Kilometer unschlagbar niedrig. Dennoch kann die Branche durch zusätzliche Effizienzsteigerungen wie wetterbasierte Routenoptimierung, Blasenteppiche, Propeller-Retrofits und ähnliche Maßnahmen dazu beitragen, den Bedarf an kostbaren eFuels zur Defossilisierung und zum klimaneutralen Betrieb der Schiffsflotte weiter zu reduzieren. Denn dies ist bei seegehenden Schiffen letztlich nur durch alternative und nachhaltige Kraftstoffe mit hoher Energiedichte möglich.
Ein Thema, das derzeit etwas in den Hintergrund gerät, sind die Emissionen von Luftschadstoffen wie NOx, SOx und Partikel. Schließlich kann der Anteil der durch Schiffe verursachten Luftverschmutzung in Hafenstädten und Küstenregionen heute bereits über 80 Prozent betragen. Die Branche muss daher proaktiv mehr zur Senkung der Abgasemissionen unternehmen. Mit den neuen schwefelfreien Kraftstoffen werden viele aus dem Straßenverkehr bekannte Abgasnachbehandlungstechnologien nun auch für die Schifffahrt möglich.
Im InnoFuels-Anwendungsfeld Schiffsverkehr, das Sie als Experte federführend betreuen, ging es in den letzten Wochen und Monaten vor allem darum, die Hemmnisse für die Markteinführung von erneuerbaren Kraftstoffen zu untersuchen. Welche Erkenntnisse konnten Sie gewinnen?
Generell steht der Wandel des Kraftstoffmarktes in der Schifffahrt noch am Anfang. Der Markt wird bisher von kurzfristigen Verträgen ohne langfristige Bindungen zwischen Lieferanten und Abnehmern dominiert. Solche langfristigen Bindungen sind jedoch notwendig, damit beide Seiten Planungssicherheit haben. Ohne diese Sicherheit werden wichtige Investitionen in Kraftstoffproduktionsanlagen, Bunkerinfrastruktur oder neue Schiffe hinausgezögert. Zudem besteht die Gefahr einer Nutzungskonkurrenz mit der chemischen Industrie und der Luftfahrt, da die Schifffahrt Zwischenprodukte oder chemischen Grundstoffe als Kraftstoffe verwendet.
Da die Branche sehr heterogen ist, sind die einzelnen Reedereien unterschiedlich gut auf den bevorstehenden Wandel vorbereitet. Dazu kommt ein wachsender bürokratischer Aufwand zum Nachweis der Konformität mit neuen Gesetzen wie der FuelEU Maritime und der Integration der Schifffahrt in den europäischen Emissionshandel. Eine zentrale Frage ist, ob die Anreizsysteme ausreichen, um die Preislücke zwischen fossilen Standardkraftstoffen und den klimafreundlichen Alternativen zu schließen. Wie können Wettbewerbsnachteile für first mover abgebaut werden? Da die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) einen rechtsverbindlichen Fahrplan zur Senkung der Treibhausgasintensität der verwendeten Kraftstoffe an Bord frühestens 2027 verabschieden wird, nimmt die Industrie noch eine eher abwartende Haltung ein.
Wichtige Impulse kommen dagegen von den Frachteigentümern, die ihre Waren als „premium green“ klimaneutral transportiert haben möchten, um ihren Kunden einen Mehrwert zu bieten. Obwohl diese Initiativen bisher nur einen kleinen Umfang haben, könnten sie einen wichtigen Anreiz für die Kraftstofferzeugung darstellen. Zudem bieten Banken veränderte Finanzierungsmodelle für grüne Schiffe, die einen erleichterten Zugang zu Finanzmitteln oder verbesserte Konditionen ermöglichen. Die Vernetzung der vielen verschiedenen Akteure ist daher besonders wichtig.
Wie geht es im Innofuels-Anwendungsfeld Schifffahrt nun weiter?
Gerade erst haben wir eine Studie in Auftrag gegeben, die die werftseitigen Herausforderungen im Zuge des Umbaus der Schifffahrt hin zu einer grünen Industrie analysiert. Von dieser Studie erwarten wir wichtige Impulse zur Klärung der Frage, welche Kerntechnologien im Schiffbau entwickelt werden müssen, um die Flotte bis 2050 klimaneutral zu machen.
Als nächstes planen wir einen Workshop, der anhand des Modellstandortes Rostock das komplexe Zusammenspiel aus den Themenfeldern Supply Chain, Produktion und der Anwendung in den zukünftigen eFuels-Märkten der Schifffahrt und der Verteilerverkehre im Hinterland untersuchen soll. Denn im Umfeld der norddeutschen Seehäfen werden wir eine Konzentration des Importes und der Umwandlung von Energieträgern sehen: so zum Beispiel: Anlandung von regenerativem Offshore-Überschussstrom, Methanol- oder Ammoniak-Import, Installation großer Cracker oder CCUS-Anlagen. Wie können diese Technologien effizient und sinnvoll geclustert werden? Wie können für finale Investitionsentscheidungen wichtige nennenswerte Abnahmemengen sichergestellt werden? Gerade hierbei spielen regelmäßige Schiffsanläufe, wie zum Beispiel Fährlinien und die Hinterlandverkehre im Logistikbereich eine wichtige Rolle.
Neben der Uni Rostock ist auch der Motorenbauer Rolls-Royce am InnoFuels-Projekt beteiligt. Gibt es die Möglichkeit weitere Unternehmen mit ins Boot zu holen?
Generell ist die gesamte Großmotorenindustrie und alle, die in der Schifffahrt mit Kraftstoffen in Berührung kommen, eingeladen bei InnoFuels aktiv mitzumachen. Dies kann z.B. durch Teilnahme an Workshops im weiteren Projektverlauf sein. Wir werden aber auch Umfragen und Experteninterviews zu den eher technischen oder regulatorischen Hürden durchführen, denen sich die Branche aktuell gegenübersieht. Um als Anlaufstelle zu dienen und zentrale Forderungen aufgreifen zu können, haben wir uns daher auch entschlossen mit dem InnoFuels-Projekt als Aussteller bei der konferenzbegleitenden Messe der RGMT dabei zu sein.
Vielen Dank für das Interview!